Die Herbst-Depression ist abgeschüttelt. Borussia Dortmund schwimmt auf einer Welle der Euphorie. Im Pokal eine Runde weiter, in der Liga nach fünf aufeinanderfolgenden Siegen wieder in der Spur und auch tabellarisch auf Rang drei ordentlich platziert, in der Königsklasse nun das runderneuerte Team von Chelsea vor der Brust, den Traum vom Viertelfinale vor Augen.

„Wir haben ein hohes Level an Bereitschaft. Wir haben ein hohes Level an Qualität“, attestierte Julian Brandt am Samstag nach dem 2:0-Erfolg in Bremen. Die 15 Punkte aus den fünf Spielen im Kalenderjahr 2023 haben nicht nur die Tabellensituation deutlich verbessert, auch den Spirit im Team. Brandt sieht einen „guten Willen in der Truppe“, zudem komme eine „leichte Selbstverständlichkeit herein, die man sich aber auch erarbeitet hat“.

Einen Vergleich zur Herbstrunde oder auch zu vergangenen Spielzeiten lässt der Mittelfeldmotor nicht zu. Denn: „In so einer Konstellation waren wir ja eigentlich nie“, meint er und spielt auf die Personalsituation an. Erstmals seit vielen, vielen Monaten ist der Kader nahezu komplett (auch wenn aktuell Sorgen um Youssoufa Moukoko bestehen). „Dementsprechend kriegen wir eine enorme Qualität“, so Brandt, der zugleich mahnend den Zeigefinger erhebt und betont: „Wir sind noch früh in der Saison. Wir müssen dranbleiben, dürfen jetzt nicht den Otter machen, uns auf den Rücken legen und entspannen.“

40 Punkte nach 20 Runden entsprechen fast dem Vorjahres-Schnitt von 2,03 und liegen hauchzart über dem Durchschnitt der Nach-Klopp-Ära (1,996 Punkte pro Spiel), allerdings noch deutlich unter den Werten von 2015/16 (2,29) sowie 2018/19 (2,24).

„Wir sind sehr zufrieden. Nicht nur mit dem Ergebnis, sondern auch mit der Art und Weise, wie wir gespielt haben“, bewertete Edin Terzic die Leistung seiner Mannschaft in Bremen. Allerdings war es ein Sieg mit 45 Minuten Anlaufzeit. Die im Zentrum eigentlich recht anfälligen Bremer schienen „wie gemacht“ für das Kombinationsspiel der Borussen, doch im ersten Durchgang stand Werder kompakt, verlagerte die Offensivbemühungen des BVB auf die Flügel. „In der ersten Halbzeit haben wir uns im Zentrum kaum so bewegt, dass sich der Gegner aus seinen gewohnten Positionen herausbewegen musste“, erkannte Terzic und zeigte in der Pause einige Szenen, die die Scouts zusammengeschnitten hatten, in denen sich Räume angeboten hätten.

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Die Torschützen Jamie Bynoe-Gittens und Julian Brandt

Scheiterten Marco Reus und Jude Bellingham kurz nach Wiederbeginn am herausragenden Bremer Schlussmann Pavlenka (der am Ende mit weiteren Paraden ein höheres Resultat verhinderte), sorgten Jamie-Bynoe Gittens nach starker Vorarbeit von Nico Schlotterbeck und schließlich Julian Brandt (nach noch stärkerer Vorarbeit von Raphael Guerreiro) für ein hochverdientes 2:0.  

„Es war sehr wichtig“, sagte Brandt über sein Tor. „Danach kam mehr Souveränität ins Spiel. Rapha macht das überragend. Als er den Kopf gehoben hat, wusste ich, jetzt steckt er ihn durch. Er hat ein extrem gutes Gefühl, ein extrem gutes Timing für einen Pass. Ich habe kurz überlegt, ob ich mit links abziehe, aber der Winkel war zu spitz.“ Deshalb ließ er Bremens Stark aussteigen und schoss ins lange Eck ein. Grinsend fügte der gebürtige Bremer hinzu: „War ein ganz cooles Tor.“ Lob gab es auch von Edin Terzic, weniger für den Treffer als für Brandts Leistungen insgesamt in den vergangenen Wochen: „Jule hat sich im Laufe der Saison extrem entwickelt. Er ist einer unserer konstantesten und laufstärksten Spieler. Und er ist am Ball extrem wichtig für uns.“ Brandt verspricht: „Wir wollen jetzt dranbleiben!“ Und nicht den Otter machen…

Boris Rupert